Ab Jänner neues Familiencoaching Angebot in den Bezirken Braunau, Ried und Schärding

Land OÖ hilft mit mobilem Familiencoaching – Ab Jänner neues Angebot in den Bezirken Braunau, Ried und Schärding!

 

Die Corona-Pandemie stellt Familien vor große Herausforderungen und je länger sie anhält, umso mehr werden die Auswirkungen in der Kinder- und Jugendhilfe spürbar. Vertreter/innen der Bezirke und Vernetzungspartner/innen berichten von zunehmenden Problemlagen, gehäuften Gefährdungsmeldungen, mehr Fällen von familiärer Gewalt und von einer Vielzahl an psychiatriebetroffenen Jugendlichen. „Um familiäre Probleme und Krisensituationen rechtzeitig abzufangen, sind treffsichere präventive Angebote wichtig. Schon seit dem Sommer ist zu verfolgen, dass bestehende Auffangsysteme für Kinder und Jugendliche ausgelastet oder sogar überlastet sind. Die Kriseneinrichtungen sind voll belegt und auch bei den Kinderschutzzentren (KISZ) steigen die Wartelisten. Beim KISZ Innviertel beispielsweise um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr. Ich setze alles daran, um Hilfsangebote auszuweiten“, sagt die für Kinder- und Jugendhilfe zuständige Landesrätin Birgit Gerstorfer.

Für die kommenden Jahre erwartet die Kinder- und Jugendhilfe weiterhin einen steigenden Bedarf. Besonders benachteiligt beim Zugang zu Unterstützungsmöglichkeiten sind Familien in den Randbezirken: Hier ist das Angebot generell weniger umfangreich als im Zentralraum, die Wege sind weiter, der öffentliche Verkehr weniger ausgebaut – das betrifft vor allem Kinder, Jugendliche und Elternteile, die selbst nicht mobil sind. Um dieses Ungleichgewicht abzufedern, wird die Abteilung Kinder– und Jugendhilfe OÖ ab Jänner 2022 ein neues Projekt für die Bezirke Braunau, Ried und Schärding finanzieren: das mobile Familiencoaching Innviertel des Diakonie Zentrum Spattstraße.

Krisen durch Beratung rasch abfedern

Das mobile Familiencoaching Innviertel ist ein präventives Angebot und zielt darauf ab, Krisen abzufedern. Ermöglicht wird dies durch eine eigens eingerichtete Beratungshotline sowie durch persönliche Coaching-Termine.

Die Hotline bietet telefonische Sofortberatung

Unter 0800 700 734 sind kompetente Ansprechpartner täglich erreichbar – Montag, Mittwoch und Freitag vormittags (8.30 bis 13.00 Uhr) und Dienstag und Donnerstag nachmittags (13.00 bis 17.30 Uhr).

 

Anrufer/innen erhalten Beratung bzw. Anleitung zur möglichen sofortigen Deeskalation. Ziel ist eine rasche Entlastung ihrer persönlichen Situation. Beim Telefonat werden die Problemlagen und nötigen Basisinformationen erhoben, zusätzlich wird die Möglichkeit einer mobilen Vor-Ort-Beratung angeboten. Wenn es sinnvoll ist, wird auch an andere Einrichtungen weiterverwiesen, falls diese eine passendere weiterführende Hilfe anbieten. Die Beratung ist kostenfrei und auf Wunsch auch anonym.

Außerhalb der Erreichbarkeit wird der Anruf auf eine Mobilbox umgeleitet und ein Rückruf zu den Beratungszeiten angeboten. Zusätzlich wird über andere Angebote in Not- und Krisensituationen informiert und deren Telefon[1]nummern bekannt gegeben.

Beratung vor Ort

Ab dem Frühjahr wird ein Beratungsbus zur Verfügung stehen, der an öffentlichen Plätzen des Innviertels eine spontane und niederschwellige Möglichkeit für ein Gespräch anbieten wird.

Coaching-Termine

Auf Wunsch kommen die Berater/innen auch persönlich zu den Familien nach Hause. Intensität und Dauer richten sich nach dem Bedarf der Familie. Maximal kann ein Coaching bis zu zwölf Wochen im Jahr in Anspruch genommen werden, im Umfang von höchstens zehn Wochenstunden.

Wer kann sich melden?

Unterstützung gibt es bei allen Themen, die pandemiebedingt oder im Familienalltag auftauchen, wie bei Streit und Konflikten, beim Umgang mit Medien, Erziehungsthemen, Schulproblemen, Erschöpfung und Vielem mehr. Erfahrungen aus Kärnten mit diesem Modell zeigen, dass die Problemlagen der Familien mannigfaltig sind und von „A“ wie Arbeitslosigkeit bis „Z“ wie zocken reichen.

Das Angebot richtet sich gezielt an Familien, die im Innviertel leben. Zielgruppen sind Kinder, Jugendliche und deren Erziehungsberechtigte sowie Personen aus dem nahen Umfeld der Kinder und Jugendlichen. Die Expert/innen beraten und coachen bei traumatischen Erfahrungen, bei Angst, bei Überlastung, bei allen Themen die psychische und physische Gesundheit betreffend, und vieles mehr.

Ziel ist es, die Sicherheit und Stabilität des familiären Gefüges möglichst rasch wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Im Coaching wird gemeinsam an den Stärken, Fähigkeiten und Ressourcen der Familie, des Kindes und Jugendlichen gearbeitet. Als Leitsätze gelten: „Repariere nichts, was funktioniert!“, „Wenn etwas nicht funktioniert – mach etwas anders!“ und „Wenn etwas funktioniert – dann wiederhole es!“. Diese drei simplen Herangehensweisen helfen den Familien, wieder an sich zu glauben und handlungsfähig zu werden. Beim Coachingprozess werden keine fertigen Lösungen vorgegeben, das Gegenüber wird so angeleitet, dass es selbst die Lösungswege erkennen kann und befähigt ist, die nächsten Schritte aus der Krise zu gehen. Gemeinsam werden dazu ganz konkrete Vereinbarungen, Handlungspläne und Bewältigungsstrategien erarbeitet.

Flexibilität bei der Gestaltung des Unterstützungsangebotes und maximale Einbeziehung der Familienangehörigen ist dazu notwendig. Die Familien sind und bleiben die Expertinnen für ihr Leben.

Begleitung durch erfahrene Expert/innen

Mit dem Diakonie Zentrum Spattstraße beauftragt die Kinder- und Jugendhilfe OÖ einen Betreiber, der über langjährige Erfahrung im präventiven Bereich wie auch in der sozialpädagogischen Familienhilfe verfügt.

Die Berater/innen im mobilen Familiencoaching Innviertel haben als Grundlage eine sozialpädagogische Ausbildung oder sind Sozial[1]arbeiter/innen, außerdem verfügen sie über langjährige Erfahrung in der mobilen Begleitung von Familien.

Egal, ob nur eine kurze telefonische Beratung oder ein längeres Coaching gebraucht wird: Kinder, Jugendliche oder deren Bezugspersonen können sich direkt an das mobile Familiencoaching wenden. Jeder Anruf wird grundsätzlich vertraulich behandelt und zieht auch keine unmittelbare Information an die behördliche Kinder- und Jugendhilfe mit sich – es sei denn, es bedarf einer sofortigen Schutzmaßnahme bei Gefahr in Verzug. Wird eine Kindeswohlgefährdung wahrgenommen oder besteht ein weitergehender Hilfebedarf über die Betreuungszeit hinaus, wird in Absprache mit der Familie die Vernetzung mit der Kinder- und Jugendhilfe hergestellt.

Auffangsysteme sind ausgelastet

Die Kinder- und Jugendhilfe und ihre Systempartner spannen ein weites Netz an Auffangsystemen für belastete Familien – von der Beratung bis hin zum unmittelbaren Schutz von Kindern in Gefahrensituationen. Dieses Netz wurde mit viel Einsatz und Flexibilität aufrechterhalten, um belasteten Familien so viel Stabilität wie möglich zu geben. Die aktuellen Rückmeldungen von allen Systemen sind jedoch ähnlich: Die Anfragen sind gestiegen, die Angebote in der Regel mehr als nur ausgelastet. Kriseneinrichtungen melden volle Belegung, Gewaltschutzzentrum und Schulsozialarbeit eine Zunahme der von Gewalt betroffenen Kindern und Jugendlichen, bei den Kinderschutzzentren gibt es Wartelisten, die stationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie muss sich auf absolute Notfälle beschränken, die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe verzeichnen immer mehr ganz junge Kinder mit intensivem sozialpädagogischem Betreuungsbedarf.

Übergreifende Hilfsangebote sind dringend erforderlich

Kinder und Jugendliche sind von den Auswirkungen der Pandemie besonders betroffen. Studien aus Deutschland und Österreich aus den letzten beiden Jahren haben gezeigt, dass sich ein Großteil der Familien (71 Prozent der Kinder und Jugendlichen und 75 Prozent der Eltern) deutlich belastet fühlen und mehr als die Hälfte der Eltern sich Unterstützung wünschen. Das Risiko für Jugendliche für eine psychische Erkrankung ist durch die Pandemie doppelt so hoch wie vorher. Die am vergangenen Mittwoch veröffentlichten Ergebnisse einer Studie der Donau-Universität Krems bestätigen diesen besorgniserregenden Trend: 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen im Alter von 14 bis 20 Jahren weisen demnach eine mittelgradige depressive Symptomatik auf.

Das mobile Familiencoaching Innviertel ist ein Baustein, um Familien schnell und unbürokratisch zu entlasten. Es ist jedoch dringend erforderlich, übergreifend weitere Hilfsangebote zu schaffen, um präventiv und intervenierend zu unterstützen. „Die negativen Folgewirkungen der Pandemie werden uns in den kommenden Jahren begleiten und fordern. Deshalb habe ich ein zusätzliches Kinderschutz-Paket geschnürt. Dieses wird neben den bereits gesetzten Maßnahmen gerade im Bereich der Prävention und der frühen Hilfen nochmals eine Erweiterung der Angebotsstrukturen bringen. Es wäre aber illusorisch zu glauben, Hilfeleistungen könnten im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe alleine abgearbeitet und bewältigt werden. Hier sind auch die Bereiche Gesundheit und Soziales, der Bildung, der Kultur und der Freizeitangebote sowie im Sport gefordert. Ich fordere die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker dieser Bereiche auf, hier schnell zu handeln und bestmögliche Unterstützung für die Kinder und Jugendlichen zu schaffen“, so Landesrätin Gerstorfer abschließend.

 

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